„Wenn nichts mehr hilft
Am Boulevardtheater Bremen im Tabakquartier (Woltmershausen) hatte Fitzeks ausdrücklich als „kein Thriller“ klassifiziertes Werk am Donnerstagabend in einer Bühnenfassung von Lajos Wenzel Premiere. „Der erste letzte Tag“ lässt zwei höchst unterschiedliche Charaktere förmlich aufeinanderkrachen. All das birgt reichlich Potenzial für hochkomische Situationen. Es driftet aber nie ins Alberne ab, weil – wie sich zeigen wird – eine melancholische Grundnote als Kontrapunkt für die nötige Bodenhaftung sorgt. Für den Grip, um es in der Sprache der Auto-Experten zu sagen.
Regisseur Stefan Leonard inszeniert das Chaos, in das Lea Livius stürzt, mit klaren Linien, die den Abend insgesamt in der Spur halten. Ein Highlight sind Slomo-Szenen, in denen sich alle wie in Zeitlupe bewegen, ein schöner Einfall, der dieser vorgeblichen Irrfahrt ins Ungewisse eine zusätzliche Dimension verleiht.
Die Schauspieler dürfen zudem zwischendurch mal so richtig die Sau rauslassen (in einer Szene ist das sogar wörtlich zu nehmen). Das gilt für Behrendt und Hamann als Lea und Livius. Und es gilt fast noch mehr für die Darsteller der vielen „Nebenrollen“, die mitnichten nebensächlich sind, ganz im Gegenteil. Stefanie Schwendy und Alexander Soehnle geben alles als Großmütterchen und als Ehefrau, als Masseur und als Lastwagen (ja, richtig: er spielt einen Lastwagen). Mal schnell, mal ernst, mal schrill, es ist alles dabei. Ein besonderer Gewinn ist das Zusammenwirken der beiden bei der Darstellung eines Daddelautomaten. Wunderbar. Auch der Besuch einer Wodka-Sauna (inklusive Massage) wirkt eindrucksvoll.
Und während die Darsteller die Rollen wechseln, verwandeln sich Bühnenbild und Requisiten auch schon mal, da wird das Toilettenhäuschen ruckzuck zum Schweinetransporter. Zurückhaltung und durchdachter Witz der Bühnengestaltung unterstützen das Geschehen und lassen ihm Raum. Bank-Tisch-Kombis wie im Gartenlokal eignen sich, wie im Tabakquartier eindrucksvoll demonstriert wird, vorzüglich als mal ruckelnde, mal beschleunigende Autos. Wenn nichts mehr hilft, kann man damit immer noch zu neuen Zielen aufbrechen. Und das ist die Wahrheit.“