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Kreiszeitung: FREI UND GRENZENLOS

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Kritik der Kreiszeitung zu "FREI UND GRENZENLOS" im Boulevardtheater Bremen

„Die Liebe und die löchrige Mauer

Fulminanter Saisonauftakt im Boulevardtheater Bremen – mit dem musikalischen Schauspiel „Frei und grenzenlos“ geht die Bühne im Tabakquartier (Woltmershausen) in ihre fünfte Spielzeit. Das Stück, eine für ein freies Theater ausgesprochen aufwendige Produktion, führt in die Jahre 1987 bis 1989. Die untergehende DDR und die erste Einheits-Euphorie bilden den historischen Rahmen; den äußeren Anlass bietet der anstehende 35. Jahrestag der Wiedervereinigung.

„Frei und grenzenlos“, geschrieben von Frank Pinkus (1959 bis 2021) und Intendant Kay Kruppa, der auch Regie führt, ist ein fein austariertes Wechselspiel: Eine Mischung aus historischen Momentaufnahmen und ernsteren Szenen mit physischer, psychischer und verbaler Gewalt, aus überschäumender Komik, emotionaler Tiefe und nicht zuletzt der Musik jener Tage. Euphorie der Einheit und DDR-Alltag, Wessi-Perspektive und Ossi-Perspektive, staatliche Repression und Ost-West-Liebesglück, das alles und mehr wird angesprochen, ohne je vom klaren Erzählpfad abzukommen. Es geht auch nicht nur darum, einen Nostalgie-Nerv zu treffen. In Zeiten, in denen die Gesellschaft zunehmend auseinanderdriftet, erinnert so ein Stück an die Möglichkeit des Miteinanders. Gemeinsam geht was!

Technische Mittel wie Videoprojektionen werden im richtigen Augenblick und nicht zu häufig eingesetzt: für Genschers Ansprache vom Balkon der westdeutschen Botschaft in Prag („Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise...“), für Schabowskis konfuse Erklärung zur neuen DDR-Reiseregelung („ab sofort, unverzüglich“). Auch Klischees sind ein Thema, die hier nicht ausgespart, sondern mit einer gewissen Distanz vorgeführt werden.

Natürlich fällt die Mauer am Ende, was in diesem Fall bedeutet: sie wird beiseitegeschoben. So einfach wirkt das plötzlich, weil alle miteinander es wollen. Löchrig ist sie schon von Beginn an, ein schönes Bild für den Zustand des Staats, der sie gebaut hat. Hinter der Mauer übrigens agiert die Theaterband; dass die Musik live gespielt wird und die Darsteller nicht zum Playback singen müssen, tut dem Abend gut. Ebenso wohltuend, dass nicht nur die erwartbaren Klassiker aus jenen Tagen (Westernhagens „Freiheit“) zu hören sind – das Team des Boulevardtheaters beweist auch ein Ohr für wichtige DDR-Songs.

Das Ensemble geht den Weg zum Mauerfall zielstrebig, aber ohne Hektik. Die Inszenierung gibt auch Nebensträngen Raum, sie gewinnt dadurch an Tiefe.“

(Kreiszeitung, 27.09.25)